Fotografieren – eine Experience für sich

Marke People Data & Tech Lifestyle
17.05.2021

Werbung nutzt die Kraft von Bildern auf akribisch durchdachte Weise, um Kund*innen anzusprechen. 

Motive werden geplant, Locations gesucht, Models gecastet, Outfits gewählt – alles für die perfekte Experience. Doch was ist eigentlich mit der Person hinter der Kamera? Wie erlebt sie ein Shooting? Und was macht den Reiz des Fotografierens ganz allgemein aus? Über Fragen wie diese sprachen wir mit Katrin Binner, deren Bilder wir Ihnen in dieser Ausgabe zeigen dürfen.

Katrin Binner

Katrin Binner geboren und aufgewachsen in der Fränkischen Schweiz, ist diplomierte Fotografin. Während des Kommunikationsdesign-Studiums in Darmstadt erhielt sie mehrere Stipendien in Verbindung mit Aufenthalten in Prag und Barcelona. Mit ihrer Diplomarbeit gewann Binner zahlreiche Awards, darunter den BFF-Preis, sowie für eine weitere Arbeit den hoch dotierten Canon ProFashional Photo Award. Heute lebt und arbeitet sie in Frankfurt am Main, vorwiegend im Bereich Editorial und Corporate. Zu Binners Auftraggebern gehören unter anderem DIE ZEIT, capital, Hohe Luft, stern und 11 Freunde.

Was fasziniert Sie am Fotografieren?

FB

Die Fotografie ist für mich eine Art Alibi, um dorthin gehen zu können, wo ich sonst eigentlich nichts zu suchen habe; um Menschen begegnen zu können, denen ich sonst nicht begegnen würde. Fotografie ist für mich eine Chance, in andere Lebenswirklichkeiten und Welten einzutauchen. Ich kann Montag auf einer Covid-19-Station fotografieren und Dienstag ein Shooting mit Jugendlichen im Studio haben und Mittwoch einem veganen Metzger beim Arbeiten über die Schulter schauen. Ich mag, dass die Menschen und Orte immer unterschiedlich sind, und immer kann man was mitnehmen. Der Weg zu einem wirklich interessanten Bild ist immer wieder herausfordernd – und deswegen spannend. Diese Herausforderung hält mich bei der Stange. Mit jedem neuen Auftrag gibt es eine neue Chance, etwas besser zu machen. Fotografie ist für mich aber vor allem ein Way of Life und ein Mittel zum Zweck, ich bin neugierig darauf, wie etwas aussieht, wenn es fotografiert ist. Ich glaube, das ist ein Zitat, ich kann gerade nicht sagen, von wem.

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Wie erleben Sie als Fotografin die Welt?

FB

Vor allem visuell. Mir fallen Formen und Farben auf. Wenn ich draußen unterwegs bin, frage ich mich immer: Wie kann man diesen Gegenstand oder diese Landschaft noch sehen, wie man kann man eine neue Facette zeigen? Es ist ein spielerischer Prozess in dem ich ganz aufgehen kann und wie damals als kleines Kind spielen und ausprobieren kann und das muss auch erst einmal keinen Zweck erfüllen.

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Welches Shooting ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben und warum?

FB

Denkwürdig war für mich ein Job für das ZEIT Magazin, direkt nach Ende meines Studiums. Ich hatte ein, zwei inszenierte Jobs für das Magazin gemacht und wurde dann nach Rom zum Papst oder vielmehr zu dessen rechter Hand Kardinal Gänswein geschickt. Ich sollte eine Reportage fotografieren. Damals war ich ein blutiger Anfänger in dieser Sparte. Ich hatte noch die analoge Mittelformat-Kamera dabei, sowie meine digitale Kleinbildkamera, war also sehr bepackt. Vor Ort gab es eigentlich kein Durchkommen zum eigentlichen Motiv, so ein Papst hat natürlich seine eigenen Fotografen und noch viel mehr Menschen um sich herum. Mir blieb also nur übrig, aus der Ferne zu beobachten und Szenarien am Rande mitzunehmen, die Schweizer Garde und das beleuchtete Papstfenster nachts von Außen. Statt eines Segens hab ich mir bei diesem Auftrag eher einen Fluch mitgenommen, d.h.: eine Lebensmittelvergiftung, ein verspäteter Flieger und eine Nacht auf einer Bank im Flughafen Frankfurt-Hahn. Ich kam am nächsten Tag fix und fertig zuhause in Frankfurt an. Mein Mitbewohner hat sich gottlob um die Entwicklung der Filme gekümmert. Die Abgabe habe ich dank ihm noch rechtzeitig geschafft und die Strecke ist auch ohne Papstfoto gut angekommen.

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Inwiefern unterscheiden sich Auftragswerke und freie Fotografien im Arbeitserlebnis?

FB

Für die freien Arbeiten kann ich mir mehr Zeit nehmen, mehr ausprobieren, mir „Fehler“ erlauben. Ich denke, durch Spielen und Scheitern kommt man weiter in der Fotografie. Davon profitieren natürlich auch meine Auftragsarbeiten. Ich glaube, wenn man nur für den Kunden produziert besteht die Gefahr, sich zu wiederholen, da man vielleicht zu sehr auf Nummer sicher geht, nur im Blick hat was gefragt ist und was nicht so. Deswegen brauche ich die Abwechslung und auch eine art Training in den freien Arbeiten ohne genaues Ziel und Anspruch auf Erfolg. Wenn man für einen Kunden arbeitet, muss das Shooting ad-hoc funktionieren, da gibt es ganz schön Druck – besonders vor Shootings mit wichtigen Persönlichkeiten und meistens entsprechend wenig Zeit. Was aber auch nicht schlecht ist, ich mag die Anspannung und den Adrenalinkick. Solche Shootings fühlen sich sehr lebendig an, es kann alles passieren, in beide Richtungen, das gefällt mir.

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Wie hat die digitale Fotografie und Bildbearbeitung Ihr Handwerk verändert?

FB

Angefangen habe ich im Studium und bei den ersten Jobs mit Analogfotografie, zumeist Mittelformat. Darin lag eine große Faszination: dieser magische Moment, wenn man zusieht, wie das Bild langsam wie von Geisterhand in der Entwicklungsschale Gestalt annimmt. Der Wegfall des analogen Prozesses ist einerseits sehr schade, das hat dem Prozess viel Zauber genommen. Andererseits kann ich mit der digitalen Fotografie mehr ausprobieren, ohne an das Material denken zu müssen. Digital sind die Methoden, ein Bild zu verfremden, schier grenzenlos. Aber es ist nicht meine Herangehensweise, die Bilder erst hinter digital entstehen zu lassen. Meistens sehe ich zu, dass ich das Foto möglichst wenig hinterher bearbeite. Gibt es Farbverschiebungen und Farbeffekte oder Tricks im Bild, dann sind diese bei mir meist auch schon „analog“ entstanden.

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Autor
Felix Bürkle

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